An der Ecke Holtenklinker Straße/Bleichertwiete liegt die Traditionskneipe seit 1898.
Die Traditionskneipe „Bei Han“ in Bergedorf wird nach Jahren schließen. Bevor endgültig das Licht ausgeht …
Tradition in Bergedorf
Durchzechte Nächte, Mondlandung im TV, fröhliche Silvesterfeiern, gemeinsame Gesänge, die Augsburger Puppenkiste, Jimi Hendrix und eine Überdosis Heroin – mit ihren 21 Jahren ist Gundi in den 60er Jahren Hamburgs jüngste Wirtin mit einer Gaststätten-Konzession. 1968 übernimmt sie mit ihrem damaligen Mann die Kneipe „Zur frischen Quelle“ in Bergedorf-Süd. Bereits seit 1898 existiert das Haus an der Ecke gegenüber dem Belami und wird eben so lange als Gastwirtschaft genutzt, sei es von Alwine Wulff, von Gundi oder türkischen Gastronomen. In den vergangenen Jahren ist die Eckkneipe an der Holtenklinker Straße 30 den Meisten als Nachbarschaftskneipe „Bei Han“ bekannt. Wo sich einst die arbeitende Bevölkerung aus dem gesamten Bergedorf-Süd nach der Arbeit tummelte, um sich die Sorgen und Nöte von der Seele zu quatschen, treffen sich heute bei Nazo Han in erster Linie Nachbarn, um unbeschwert die Alltagssorgen hinter sich zu lassen.
Zeitreise in die 1960er
Trinkgelager bis in die frühen Morgenstunden, Gefühle der ersten großen Liebe, Schmerz, Enttäuschung, aber auch eine wirkliche Unbeschwertheit – daran kann sich Gundi, Wirtin „Zur frischen Quelle“, gut und gerne erinnern. „Ob Lehrer, Polizist, Hafenarbeiter, heranwachsende Jugendliche oder gesamte Fußballmannschaften – sie waren alle bei mir in der Kneipe“, schwelgt sie in Erinnerungen und berichtet von unbeschwerten Zeiten, in der eine Gaststätte noch großen Zulauf hatte und eine Kneipe eben nicht nur eine Kneipe war. Treffpunkte, die nichts Besonderes benötigten, um Gäste anzulocken. Da reichten Bier, Musik und gute Laune, um ins Gespräch zu kommen und so manchen Wochenlohn zu vertrinken.
Das Licht geht aus „Bei Han“
Es wurde gefeiert, geflirtet und geschunkelt. Als ich vor 12 Jahren nach Bergedorf gezogen bin, ging es bereits jedes Wochenende „Bei Han“ auf einen Absacker. Han hatte noch geöffnet, wenn in Bergedorf schon die Bürgersteine hochgeklappt waren. Und da jede Kneipe ihre Spezialität hat, gab es „Bei Han“ auch eine: das legendäre Pizzabrot, für das er seine Exfrau auch morgens um 4.00 Uhr aus dem Bett klingelte.
Rechts der braun getäfelte Tresen, dahinter ein schmaler Gang in die kleine Küche, geradeaus ein weiterer Raum, von der Gaststube aus ins Treppenhaus und von dort hinauf in die Wohnung. An dieser gemischten Nutzung hat sich in all den Jahren, ob „Zur frischen Quelle“ oder „Bei Han“ eigentlich nichts verändert. Doch seit zwei bis drei Wochen bietet sich den Nachbarn ein anderes Bild. Han beim Umzug, Han beim Aufräumen, Han beim Schleppen, Han traurig.
Denn jetzt schließt die Traditionskneipe für immer. Der 50jährige Gastronom muss bis Ende des Monats die ihm über viele Jahre lieb gewonnene Location verlassen. Ein neuer Eigentümer des Gebäudes sorgt für Veränderungen und somit geht wieder ein Stückchen Tradition in Bergedorf verloren.
Kneipenauflösung mit Flohmarkt
Seine Kneipenauflösung beendet Han am Sonntag, 17.07.2016, mit einem privat organisierten Flohmarkt. Wer dann noch ein Stückchen Tradition ergattern und mit Han Abschied feiern möchte, der sollte dann spätestens vorbei kommen.
„Heidi, ich brauche jetzt erst einmal eine Pause und überlege dann, wie ich mich neu orientieren kann“, sagt der aus Istanbul gebürtige Nazo Han.
Erinnerungen teilen
Teilt mit mir eure Erinnerungen an diese seit 1898 bestehende Traditionskneipe. Ob zu Zeiten von Alwine Wulff, bei Gundi, bei Han oder wer darin noch ausgeschenkt hat – alle Geschichten, Fotos und sonstige Erinnerungen an diese Traditionskneipe interessieren mich. Gerne per E-Mail an heidrun-schumacher@gmx.de. Eure Heidi vom Lande